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Nordsee 1998

Kiel – Nord-Ostsee-Kanal - Helgoland – holländische Kanäle („Standemast“-Route) – Ijsselmeer Amsterdam - Terneuzen

25. Juli bis 15. August 1998; 17 Törns; 591 sm; Crew: Julia, Joachim; Bodo, Angelika (bis Amsterdam); Uwe (bis Hoorn), Jörg (ab Hoorn); Jürgen, Joana, Jonathan und David (ab Gouda).

Wir verlegten nach Kiel und nahmen uns ein paar Tage Zeit, um einige der „Werft­schäden“ zu beheben. Dann kamen Angelika und Bodo und wir liefen durch die erste Schleuse in Kiel-Holteau, natürlich die „kleine“ für Sportboote, und weiter unter Motor, durch den Nord-Ostsee-Kanal nach Brunsbüttel, (53 sm in 8 Stunden), oft Seite an Seite mit großen Frachtern. In Bruns­büttel übernachteten wir noch vor der Schleuse bei einem Motorsegler im Päckchen. Am nächsten Morgen wollte der ganz früh auslaufen. Also auch wir noch vor Sonnenaufgang (4:40) mit der ersten Schleusung in die Elbe. Die Tide lief mit, so dass wir unsere nächste geplante Station, Cuxhaven, schon um 7:40 passierten und auf die Nordsee Richtung Helgoland wei­ter­liefen, wo wir mittags waren. Es gab wenig Wind, so dass der Motor mitlief. Auch ein ent­gegen­kommender Großsegler ver­zich­tete nicht auf die Maschine, so daß unser schlechtes Gewissen ob der un­see­männischen Fortbewegung sich in Gren­zen hielt. Für uns war Helgoland der erste Tidenhafen überhaupt, im Mittelmeer und der Ostsee waren wir bisher von diesem Phänomen verschont geblieben. Also machten wir lehrbuchmäßig mit langen Leinen im Päckchen fest und kletterten die hohen Kaimauern hoch.Großsegler

Am nächsten Tag nach Norderney. Eine Staffel deutscher Marineflieger machte wohl Zielübungen auf unser Boot und man beantwortete unser Winken mit Flügelwackeln, traditionell ein Zeichen für einen „Abschuss“! Im Hafen von Borkum bekam mein Selbstbewusstsein beim Manöverfahren einen heftigen Knacks. Wind und Strom standen so ungünstig, dass ich trotz Bugstrahlruder die Carioca in einer engen Gasse zwischen zwei Stegen nicht gedreht bekam und mehrere Anläufe brauchte. Dann drückte uns der Strom auch noch auf den Steg, an dem wir anlegen wollten. Angelika wollte schnell noch einen Fender dazwischen halten und beugte sich über die Seereling. Dabei öffnete sich der Pelikanhaken der Seerelingspforte und sie fiel über Bord auf den Steg. Sie war zwar sehr tapfer und sagte nichts, hatte aber doch einige Prellungen. Der Kratzer, den ich in die Bordwand fuhr, war da noch der geringste Schreck. Der Platz, den uns der Hafenmeister zugeteilt hatte, war zwar, wie er selbst sagte, bei Niedrigwasser nicht tief genug für uns, aber der Schlick sei so weich, dass der Kiel darin einsinken könne. "Da steckt ihr bis zum nächsten Hochwasser drin wie in einem Futteral."

Auf Kanälen durch die Niederlande

Da ja unser Tiefgang einen Kanaltörn ins Mittelmeer verhindert hatte, wollten wir wenigstens durch Holland die „Stande­mast“-Route nehmen, die von Delfzijl in der Emsmündung  über das Ijsselmeer bis in die Westerschelde an der belgischen Grenze führt und, wie der Name sagt, mit stehendem Mast befahren werden kann.



Selbst Autobahnbrücken werden geöffnet: ein bootsfreundliches Land! Es war ein Erlebnis, mit dem Boot praktisch durch die Gärten der hübschen Häuser zu fahren, teilweise die Kühe unterhalb des Kanalpegels grasen zu sehen und abends das Boot vor dem Restaurant am Geländer festzumachen, so in Groningen. Das ging sehr gut bis Dokkum. Ich hatte mich natürlich vorher ausgiebig nach den Tiefgangsverhältnissen erkundigt. Man sagte: Zwei Meter? Knapp, aber möglich. Zwei Skipper waren schon mit 2,10 m durchgekommen. Schon vor Dokkum hatten wir mehrfach Grundberührung und Probleme, einen Übernachtungsplatz zu finden, weil wir immer kurz vor dem Ufer festsaßen. Am nächsten Morgen stellten wir fest, dass das Wasser um fast 20 cm gefallen war. In Dokkum herrschte Chaos. Im Kanal, der um die mittelalterlichen Stadtbefestigungen herumführt, saßen mehrere Schiffe fest. Ein kleiner Schoner mit 1,90 m Tiefgang lag zeitweise 30° schräg auf Grund und wurde von einem Motorboot freigeschleppt. Für uns also hoffnungslos. Wir erfuhren schließlich, dass man in der Nacht zum „Spülen“ des Kanals 20 cm Wasser abgelassen hatte. Nach einer Woche holländischen Wetters (Regen) wäre es wieder hoch genug. Sehr tröstlich.

Raus auf die Nordsee

Es blieb uns nichts anderes übrig, als einen Tagestörn zum Lauwersmeer zurückzulaufen und dort am nächsten Tag mit der ersten Schleusung um 6:00 auf die Nordsee raus. Obwohl das einen Umweg von über 100 sm bedeutete, schien es gut zu gehen, da der Wetterbericht NE4 angesagt hatte und die Tide zu Anfang mitlief. Mittags hatten wir schon fast die Hälfte der 75 sm bis Terschelling geschafft. Dann drehte der Wind aber auf SW, also genau gegenan, und steigerte sich von Bft 5 auf 6 und schließlich auf Bft 7. Die Tide lief inzwischen entgegen, die See wurde weiß und bei der hässlichen kurzen Welle brachte uns ein Kreuzschlag von einer Stunde nur knapp eine Meile voran. Also Motor an und voll gegenan, teils als „U-Boot“. Der Rudergänger, meist unser „Gefechts­ruder­gänger“ Julia, musste sich vor jeder kleinen Erholungspause das Wasser aus den Ölzeugtaschen kippen. Schlimm war auch, dass wir ein nicht seefestes Crewmitglied dabei hatten, dem wir einen Törn ohne Seegang versprochen hatten. Er lag völlig flach, sofern man das so nennen konnte, war aber sehr tapfer. Ärgerlich ist bei den friesischen Inseln, dass die Riffe, also die vorgelagerten Sandbänke, sich meist nach WSW erstrecken, so dass man weit an der Insel vorbeilaufen muss, um in die Durchfahrt zu kommen. Der Skipper widerstand den Versuchen von Crewmitgliedern, ihn zum „Räubern“ über die „Terschellinger Gronden“ zu bewegen, was fast 20 sm gespart hätte. Safety first! Wir versuchten per UKW, in einem anderen Hafen unterzukommen, der zwar auf der nächsten Insel, Vlieland, lag, aber leichter zu erreichen gewesen wäre: Hoffnungslos, man liege wegen des unerwarteten Starkwinds schon bis in die Einfahrt, so der Hafenmeister per UKW.

Als wir endlich die Passage zwischen Terschelling und Vlieland erreicht hatten, fiel unsere gesamte Navigations-Elektrik einschließlich des Echolots aus: zu viel Seewasser. Und das in einem unbekannten Watten-Fahrwasser in der einbrechenden Dunkelheit. Ein Albtraum! Schließ­lich erreichten wir, uns an den Bojen entlang tastend, den Hafen, bevor es ganz dunkel war. Dort herrschte auch Zustand. Ein holländisches Traditionsschiff fuhr mit seinem „Havarie­spargel“, dem Bugspriet, voll in ein anderes dieser schönen Schiffe hinein. Wir be­kamen einen Platz als sechste im Päckchen und fielen todmüde in die recht feucht ge­wor­denen Kojen. Morgens wachte ich im ersten Morgengrauen auf, weil mir irgendetwas nicht in Ordnung vorkam. Als ich den Kopf aus dem Luk steckte, sah ich, dass unser Sechser-Päckchen herumschwenkte und auf andere Schiffe zu driftete. Der Wind hatte wohl gedreht und keiner hatte an eine Sicherung in diese Richtung gedacht. Also turnte ich mit 40 Meter Leine über alle sechs Schiffe, immer schön vorn herum, teilweise über den Bugspriet, dann über einige Schiffe an der Pier und sicherte unser Päckchen mit der quer über den Hafen gespannten Leine.

Nachts durch Amsterdam

Am nächsten Morgen war das Schwerwetter vorbei. Nun ging es weiter, mit Backstagbrise und bei Glitzerwasser durch die Wattenfahrwasser, die „Gat­ten“ und die Kornwerderzand-Schleuse ins Ijssel­meer; schönes Segeln über Hinde­loopen und das idyllische Hoorn nach Amsterdam, dessen Sixthafen gestopft voll war. Am nächsten Tag, als Bodo und Angelika uns verlassen hatten, lagen wir in einer Gracht direkt am Hauptbahnhof und warteten auf den Konvoi, der uns durch ganz Amsterdam bringen würde. Um 2:00 nachts ging es los, nachdem die von Süden kommenden Schiffe passiert hatten. Unser Konvoi bestand aus ca. 20 Booten.  

Eine Brückenmannschaft fuhr von Brücke zu Brücke, schloss die hintere, nachdem der Konvoi passiert hatte, und öffnete die vordere. Eine traumhafte Tour quer durch eine Großstadt bei Nacht! Bei dieser Tour begann eine seltsame Folge von Unglücksfällen, die man sich in den Niederlanden, wo es so viele bewegliche Brücken gibt, kaum vorstellen kann. Als sich eine der Brücken schon geöffnet hatte, fuhr ein PKW in die Absperrung und blieb gerade noch vor dem „Loch“ hängen.

Der Konvoi löste sich im Morgengrauen kurz vor dem Flughafen Schipol auf, wo wir bis zum Tagesanbruch liegen blieben. Danach ging es beschaulich weiter, vorbei an allem, was der Tourist von den Niederlanden erwartet: Windmühlen, Kühen, Seen und Brücken, an denen der Brückenwärter den mehr symbolischen Brückenzoll mit einem Holzschuh an einer Angel kassiert. 

Aber: An einer alten Hebebrücke fuhr schon wieder ein PKW in die Schranke und riss sich das Dach auf. Bis der Fahrer mit dem Krankenwagen abtransportiert war und die halbgeöffnet blockierte Brücke per Hand in Gang gesetzt war, dauerte es zwei Stunden. Später, hinter Gouda und dem schönen Yachthafen von Dordrecht, lagen wir in einer großen Schleuse mit einer Straßenbrücke über eines der Tore hinweg. Wir hatten den Motor schon wieder zum Auslaufen gestartet, als der Schleusenwärter über „Marifon“ (UKW) mitteilte, dass es noch einige Zeit dauern werde, weil - na was wohl - ein PKW durch die geschlossene Schranke auf die halboffene Brücke gefahren war!

In Gouda, wo es nicht nur Käse gibt, kam mein Neffe Jürgen mit Joana und ihren Söhnen an Bord. Die beiden Jungen, Jonathan und David, lösten sich unermüdlich am Ruder ab, wobei sie genau auf die Uhr sahen, dass sie auch ihre volle „Wache“ gingen.  Weiter ging es durch das verzweigte Mündungsgebiet von Rhein, Maas und Schelde, über die hübschen mittelalterlichen Städte Veere und Middelburg in die Westerschelde, auf der die Frachter wie auf einer Autobahn nach Antwerpen fuhren. Wir erreichten unsere Winterstation, die Werft Vermeulen in Terneuzen, auf der die letzten, in Stettin nicht fertig gewordenen oder missratenen Arbeiten in bester Qualität erledigt wurden.

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